Update: Under The Bridge

An essential new album for fans of Bristol’s iconic label Sarah Records.

Zeit für ein neues Miserable Monday Update. Heute geht es um Bristol. Immer, wenn ich Mails aus Bristol oder Musik aus Bristol in meinem Postfach habe, schaue ich schon nochmal etwas genauer hin. Klar, ich habe da ja auch ein paar Jahre gelebt und Musik gemacht und noch immer gute Kontakte in die Szene. Über die Mail zu der Compilation „Under The Bridge“ habe ich mich deshalb echt gefreut. Aber von vorn. 


Under The Bridge Sleeve

Alles beginnt mit dem ikonischen Bristol Label Sarah Records. Sicherlich kein Label, was hier in Deutschland weit verbreitet ist. Es ist ein Label, das selbst in UK eher Nerd-Status hat. Dabei gilt es aber als einer der Grundsteine für das Indie-Pop Genre und als eine Art Role Model für ein diverses und offenes Musikgeschäft. 

Sarah Records wurde 1987 von Clare Wadd und Matt Haynes in Bristol gegründet. Beide waren damals vor allem Musikfans, die Bock hatten, ihre Lieblingsbands unter die Leute zu bringen. Und zwar so, wie man das damals eben gemacht hat: Mit Hilfe von Fanzines. Irgendwann reichte das aber nicht mehr aus, was letztlich zur Gründung von Sarah Records führte. Ein Label, was sie bis 1995 eher unkonventionell führten. Wo andere Indie-Labels, wie Creation von Alan McGee zum Beispiel, Wert auf große Shows, viel Geld und Attitüde legten, ging es bei Sarah um andere Dinge. Clare und Matt suchten sich vor allem Bands aus, die sie selbst mochten, völlig unabhängig davon, ob sie in ihnen kommerziellen Erfolg sahen. Meistens waren das recht amateurhafte, introvertierte, aber passionierte Indie-Popper mit Twee-Gitarren, viel Melancholie und luftigem Gesang. Wie zum Beispiel The Sea Urchins.


Clare und Matt hielten engen Kontakt zu den Musikliebhaber:innen, die ihre Platten kauften, beantworten tausende Briefe selbst per Hand, verließen in den acht Jahren ihre Wohnung in Clifton, Bristol, maximal um günstiges Paketklebeband und billiges Essen zu kaufen, oder auf Gigs zu gehen. 

Was sie aber vor allem besonders machte: Sie hatten klare politische Vorstellungen. Diese kamen weniger über die Musik, sondern vor allem über das Label selbst nach außen. Sie waren gegen die Fake-Indie-Labels, die von Majors gegründet wurden, um Fans Geld aus der Tasche zu ziehen und hielten die Preise für ihre Releases immer so günstig, dass sie selbst kaum davon leben konnten. Sie waren gegen Thatcher, gegen den Clause 28, der „die Förderung der Homosexualität durch lokale Behörden verbot“ und setzten als Label auf ein feministisches Weltbild. 

Außerdem fühlten sie sich so eng mit Bristol verbunden, dass jede 7″-Single ein Bild der Stadt auf ihrem Etikett trug. Die Compilation-Alben wurden nach Orten in und um Bristol benannt (und nach den Bussen, die dorthin fuhren, nummeriert), und es gab sogar ein Brettspiel mit den Straßen Bristols als offiziellen Release: Saropoly.

1995 beenden Clare und Matt Sarah Records mit einem großen Knall und dem Slogan „A Day For Destroying Things“. Nicht weil es nicht mehr lief, sondern, weil Sarah, genau wie die Jugend und das junge Erwachsensein, nur für einen kurzen Moment existieren und dann abgelegt werden sollte.

Im März erschien mit „Under The Bridge“ eine Compilation, die Sarah nochmal feiern soll. Auf dieser sind nur Bands und Musiker:innen, die früher mit denselben oder anderen Bands auf Sarah gesignt waren. Die Compilation kommt auf dem Label Skep Wax Records von Amelia Fletcher und Rob Pursey, die beide auch auf Sarah waren, nämlich mit ihrer Band Heavenly.


Ich habe mich mit Amelia und Rob getroffen und über die Compilation und über Sarah Records gesprochen. Listen here:


Die Compilation gibt es auf Bandcamp oder bei Finest Vinyl.


Für mehr zur Geschichte von Sarah Records empfehle ich den Film „My Secret World. The Story Of Sarah Records“ und diese Webseite und das Buch POPKISS – the life and afterlife of Sarah Records von Michael White.