70 – Slut

Slut, Credit: Gerald von Foris

Heldenwochen beim Miserable Monday - heute wieder mit einer Band, die mich seit meiner Jugend belgeitet.

Mit Slut kehrt eine wegweisende deutsche Indie-Band zurück, der in den 90ern mit Noise-Hits wie "Sensation" der Durchbruch gelang. In den 00er-Jahren eroberten Slut mit Singles wie "It Was Easier" oder "Easy To Love" das Musikfernsehen, mit ihren Liedern aus der "Dreigroschenoper" sowie der zusammen mit Schriftstellerin Juli Zeh entwickelten Schallnovelle "Corpus Delicti" bewies die Band aus Ingolstadt/München, wie gut sich Pop und Hochkultur verbinden lassen. Nun gibt es endlich neue Musik!

Die Band ist nach sieben Jahren Veröffentlichungspause zurück! "For The Soul There Is No Hospital" heißt die neue Single, die samt Video am 17.04. veröffentlicht wurde. 

"Though we are connected/ Though we are reflected/ We're apart", lauten die ersten Zeilen des neuen Tracks. Die Verbindung ist noch intakt, man denkt irre viel über sich und den anderen nach – doch passen die zwei Teile nicht mehr zusammen. Nein, es gibt keinen Gipsverband für eine schwere Seele. Aber es gibt dieses Electropop-Stück, dem es auf eine magische Art gelingt, nach vorne zu treiben und zurück zu blicken. Da ist sie wieder, diese hoffnungsvoll-melancholische Grundstimmung, die diese Gruppe schon immer so besonders gemacht hat. Und doch sind Slut heute eine andere Band, als sie es vor dieser Pause waren. Freier und offener sind sie. Und besser denn je. Die Single ist ein erster Vorbote auf ein neues Studioalbum, das noch in 2020 erscheinen soll.

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DIE LISTE 

Die traurigsten Lieblingssongs der Band SLUT

The Cure – 2 Late

In meinen Augen einer der schönsten Songs von The Cure, der es jedoch nur auf die B-Seite von Lovesong geschafft hat. Ohne langes Intro, ohne fransiges Ende, kommt hier ein trauriges Gedicht zum Vortrag. Wie sehr du dich auch bemühst, du bist immer zu spät. 

The National – So far around the Bend

Ein wunderbarer Beitrag zu einer wunderbaren Compilation namens „Dark was the Night“, die von unbekannten Juwelen nur so glänzt. Folkig arrangiert und bunt instrumentiert, ist es wieder einmal der Text, der dieses Lied todtraurig macht und somit eindeutig für den Miserable Monday qualifiziert: 

I'll run through a thousand parties
I'll run through a million bars
Nobody knows where you are living
Nobody knows where you are

Tenniscoats – Hikoki

„Music Exists“ nennt sich das zuletzt auf 5 Alben veröffentlichte musikalische Werk des Duos aus Tokyo, dessen Deutung bei mir erfreulicherweise nicht über das gesprochene (japanische) Wort funktioniert, sondern eine andere melancholische Region triggert – und das aufs Trefflichste. 

The Notwist – Nothing Like You

Melancholische Zeilen verpackt in lautes Gitarrengewand: offener könnten die Türen nicht stehen, die man bei mir damit einrennt. Ein gewaltiges und gewichtiges Lied, nach wie vor. 

“ I guess I´m in love, ´cause I´m so nervous all the time and when I close my eyes I see you.“

Elvis Presley – Anyway you want me (That´s how I will be)

Nicht der Elvis, den man vorschnell assoziiert. Viel zu wenig Rock´n´Roll, viel zu mystisch, um als Schnulze durchzugehen: ich war 8 oder 9 Jahre alt, als ich diesen Song auf der Rückseite einer Single zum ersten Mal hörte – und bin heute noch ergriffen von seiner Kraft.

Suzanne Vega – Luka

Suzanne Vega hat bei mir Ende der Achtziger bzw. in den frühen 90ern mit ihren beiden Hits, Tom’s Diner und Luka einen Nerv getroffen. Hinter der zarten und ruhigen Fassade der beiden Songs spielen Dramen ab – einsame Frauen, verlassene Frauen, Frauen, die Gewalt erfahren haben und es noch tun. Gerade jetzt in der Corona Pandemie leider auch wieder ein großes Thema. 

Massive Attack - Unfinished Sympathy

Auch wieder ein Stück aus den frühen Neunzigern. Mit diesem wunderbar markanten und doch irgendwie unterdrückten Schrei-Sample, das aus einer quasi vergangenen Welt in die Gegenwart rüberschallt: Heyihey hey hey hey! Tatsächlich schreit aber im Original das Mahavishnu Orchestra und John McLaughlin – Planetary Citizens.  Und zum eigentlichen funky Marschier-Teppich, der plötzlich kalt und unruhig scheppert- von J.J. Johnson „Parade Strut“ - marschiert Sara Nelson mit dieser verzweifelten Wut über das Ende einer Liebe durchs sonnige Ghetto. How can I have a day without a night? Ein Meisterwerk.  

Naked Lunch - military of the heart

Diese Band verkörpert für mich pure Traurigkeit – allein schon weil ihr erster Bassist und Textschreiber Georg Timber-Trattnig unter schwere Panikattacken litt und früh die Band wieder verlassen musste. Danach folgten noch unzählige weitere Tiefschläge. Ihr Album „Songs for the exhausted“ wollte erst kein Label veröffentlichen, weil es zu traurig war.  Alles um diese Band ist traurig – traurig komisch. Weinen und gleichzeitig lachen, das kann man zu Naked Lunch wie zu kaum einer anderen Musik.

Bill Withers – I Can't Write Left-Handed (Live At Carnegie Hall)

In „I Can't Write Left-Handed" singt Bill Withers auf zutiefst berührende Art von einem Vietnamkriegs-Veteranen, der seiner Mutter mitteilt, er habe seine rechte Hand im Krieg verloren und könne ihr mit der linken Hand nicht so wirklich einen Brief schreiben. Bill Withers hat sich immer mit den ganz großen Themen auseinandergesetzt, ohne Scheu vor politischen Texten. 

The XX – VCR

Sich auf sein Zimmer zurückzuziehen und dem Wahnsinn der Welt einfach ausschließen zu versuchen. Der Rückzug ins Wesentliche und die Beschränkung auf den engsten Kreis. Ein Grundimpedus, eine Grundstimmung, die vor über 10 Jahren den Nerv einer ganzen Generation trafen. Der sogenannten Generation Y. Endlich durfte Musik wieder traurig sein.