78 – Jonas David

Jonas David, Credit: Norman Tebel

Manchmal laufen mir Songs über den Weg, die mich so schnell nicht wieder loslassen. Manchmal sind das große Songs, üppig instrumentiert, fett. Manchmal ist es ein Lick, manchmal eine Textzeile, die kleben bleiben.

Oft sind es aber auch die ganz stillen Songs, die etwas mehr Aufmerksamkeit brauchen, damit sie zwischen den lauten nicht untergehen. „All in all in all“ ist so ein Song. Indiepop in minimalster Form. Stimme, Piano, ruhige Beats, hier und da ein paar Sounds. Jonas David braucht nicht viel um mit seiner aktuellen Single die (meine) Welt für 3 Minuten und 55 Sekunden anzuhalten.

„Wo kommt das denn auf einmal her?“ - frage ich mich. Jonas David war mir bisher nicht bekannt. Umso besser, dass er es nun ist. Traurig-gute Musik irgendwo zwischen Justin Vernon, Ben Howard und James Blake.

Im Herbst 2019 fuhr er nach Sizilien, um einen Riesen zu besiegen. Einige Jahre lang hatte der Sänger, Multiinstrumentalist und Produzent unzählige Songs und Songfragmente geschrieben, aber für ein Album war die Zeit nicht reif. Welcher Sound könnte es sein? Welche Arbeitsweise ist die richtige – und wie passt das alles mit dem aktuellen Zustand der Musikindustrie zusammen? Fragen, die sich so leicht nicht beantworten ließen.

„Mein einziges Ziel war, das Album endlich fertig zu machen“, sagt Jonas, „im Studio ging es nicht mehr darum zu experimentieren oder zu jammen. Ich wollte arbeiten und diese Songs umsetzen – das war ich ihnen schuldig.“

Am 28.8. erscheint dieser Riese auf Haldern Pop Recordings – „Goliath“ heißt die zweite Platte von Jonas David.

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DIE LISTE 

Die traurigsten Lieblingssongs von Jonas David

Für diese Playlist habe ich tief graben müssen, teilweise mehr als ein Jahrzehnt zurück.

Was für mich einen traurigen Song ausmacht, ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Ich habe eine große Liebe zu Songs, die sich an den eigenen Gefühlszustand anpassen. Und so haben es ein paar Songs in die Playlist geschafft, die allein von der Klangwelt gar nicht so traurig scheinen. Und tatsächlich habe ich gemerkt, dass diese Playlist schneller dreimal so lang wurde, wie ich gedacht hatte.

Death Cab For Cutie - Brothers on a Hotel Bed

Ich liebe die Trapezakt zwischen tiefer Melancholie und seltsamem Optimismus. Hier zum Beispiel manifestiert in Ben Gibbards Stimme. Das Gefühl einer Erinnerung, die schön, aber vorbei ist. Der Moment des Realisierens. Zum Beispiel von der Tatsache, dass man sich neben der einstigen Liebe eher fühlt wie neben einer Schwester oder eben einem Bruder im selben Bett. Trennung und Verbindung gleichzeitig. Die Liebe ist da, aber die Ebene anders. 

Damien Jurado - Rachel & Cali

Faszinierend, in wie wenig Text man nicht erwiderte Liebe so bildlich darstellen kann.

Damien Jurado klingt immer irgendwie angestrengt und etwas verheult. Das trägt natürlich nur dazu bei, dass ich mich an all diese Jugendlieben erinnere, denen man Sympathie so gut wie möglich verheimlicht hat. Und dann war da noch die Angst vor den Eltern.

Siv Jakobsen - Like I used to

Siv Jakobsen kenne ich erst seit gefühlten drei Tagen. Diese so alt klingende Stimme, welche sich oft so anhört, als ob sie sich kaum unter Kontrolle halten kann. Songs die so klingen, als ob das jetzt eben raus musste, hastige Entladungen und dabei auf unnötige Wiederholungen verzichten. Dazu dann Sätze wie hier „I can sense her in your mouth on my neck / You don’t love me like you used to.“ und es drückt einfach nur auf der Brust. 

Damien Rice - Dogs

Ich habe keine Ahnung, worum es in diesem Song geht. Vielleicht geht es tatsächlich um 2 Hunde.

Oder es geht um 2 Hunde und deren Besitzer. Ich weiß es nicht und habe auch schon zu viel darüber nachgedacht. Hier steckt etwas tieftrauriges drin und vielleicht ist es gerade gut, nicht zu wissen, was es ist.

Bright Eyes - Lua

Zu oft erlebt, als dass mich Lua nicht jedes Mal trifft. Es ist schön, dass jemand den Zauber und gleichzeitgen Unzauber der Nacht genauso erlebt hat.

Jonsi - Tornado

Dieser Song spricht für mich vom Unterdrücken. Von der Angst, was andere denken könnten. Der Vergleich mit einem innerlichen Tornado, der langsam wächst und irgendwann rausplatzen muss, ist so kraftvoll. Der letzte Satz „I wonder if I’m ever allowed just ever to be“ mit dem Hintergrund von Jonsi’s Homosexualität verwandelt sich dann bei mir jedes Mal in den wütenden Reminder, jeden so zu lieben und zu unterstützen wie er ist und eine Traurigkeit über die Momente wo man das nicht geschafft hat. 

Mark Kozelek - Gustavo

Es ist schwierig sich bei Mark Kozelek für einen Song zu entscheiden, aber Gustavo hat es geschafft. Ein sehr skurrile und traurige Geschichte. Ein Kurzfilm als Song. 

Phoebe Bridgers - You missed my heart

Okay, ausgetrickst. Ein weiterer Song vom ewig traurigen Mark Kozelek, aber in einer Version der ebenso ewig traurigen Phoebe Bridgers. Ich bin beeindruckt von Songs, die ganze Geschichten beinhalten und ausschmücken. Der Song hat ungefähr so viele Wörter, wie ein ganzes Album von mir. 

Veivecura - Nei tuoi occhi legno

Das hier ist von meinem Bruder Davide aus Sizilien und so stark aufgeladen mit Erinnerungen, dass ich es kaum aushalte ihn zu hören.

DeYarmond Edison - Bones

Justin Vernon, bevor er einen Computer hatte. Und dieses Outro! Das Mantra „And I’m so far from not caring“, dass sich so roh immer weiter reinbohrt und mich denken lässt: Das ist tatsächlich sehr oft die Antwort auf die klassische Streitfrage, ob dieses oder jenes einen „überhaupt interessiert“.

...And I'm pancaked on the floor, you can't see my face…

...Now this world without you is fucked…

 Nachvollziehbarer geht es eigentlich nicht.